
Die Theorie von Jean Piaget zur kognitiven Entwicklung bei Kindern bietet Eltern Werkzeuge, um zu verstehen, wie ihre Kleinen die Welt wahrnehmen und Entscheidungen treffen. Er beschrieb vier Entwicklungsstadien, die Einfluss auf Sprache, Denken und Urteilsvermögen haben:
Sensomotorisches Stadium (0–2 Jahre)
• Das Kind erkundet die Welt durch seine Sinne und Bewegung.
Interessante Tatsache: Etwa im 8. Monat entwickelt sich die Objektpermanenz – das Kleinkind sucht nach einem Spielzeug, das unter einer Decke versteckt wurde.
Präoperationales Stadium (2–7 Jahre)
• Animistisches Denken: Das Kind glaubt, dass Gegenstände Gefühle besitzen (z. B. eine Puppe, die weint, weil sie gefallen ist und sich verletzt hat).
• Egozentrismus: Das Kind versteht nicht, dass andere eine andere Perspektive haben.
Es verdeckt seine Augen und sagt: „Du siehst mich nicht!“
Stadium der konkreten Operationen (7–11 Jahre)
• Das Kind versteht logische Zusammenhänge, allerdings nur in Bezug auf konkrete, physische Gegenstände.
Es weiß beispielsweise, dass das Umfüllen von Wasser in ein schmales Gefäß das Volumen nicht verändert.
Stadium der formalen Operationen (ab 12 Jahren)
•J ugendliche denken abstrakt und hypothetisch. Sie überlegen beispielsweise: „Was wäre, wenn Menschen keinen Schlaf bräuchten?“
Der entscheidende Punkt ist, dass Kinder keine Entwicklungsstufen überspringen – sie durchlaufen sie nacheinander, wenn auch in unterschiedlichem Tempo. Diese Phasen zeigen, dass kognitive Entwicklung ein Prozess ist, der Geduld erfordert. Das Verständnis der Stadien ermöglicht es Eltern, ihre Erziehungsmethoden an die Fähigkeiten des Kindes anzupassen – anstatt von einem Vorschulkind reife Entscheidungen zu verlangen, sollte man ein Fundament für zukünftiges, selbstständiges Denken legen. Anstelle der Forderung, dass ein 5-Jähriger abstrakt auf die Frage „Warum hast du die Vase zerbrochen?“ antwortet, sollte man fragen: „Was wolltest du überprüfen oder erreichen?“ Dies hilft, von einem Schema aus „Strafe/Belohnung“ zu einem empathischen Verständnis überzugehen. Diese Haltung wird die Grundlage für die Entwicklung des Kindes bilden und nachhaltige Auswirkungen auf sein gesamtes Leben haben.
Die Reduktion jedes Vorfalls auf Strafe oder das Bagatellisieren schadet dem Kind. Seine begrenzten Erfahrungen erlauben es ihm noch nicht, die Folgen seines Handelns zu analysieren – daher kommt den Eltern eine enorme Verantwortung zu, das Verhalten zu lenken. Die frühen Lebensjahre eines Kindes sind entscheidend für dessen weitere Ausrichtung.